Begleiteter Weihnachtsbummel
Das Mädchen, das am Samstag in Lüneburg von einer Mitarbeiterin der Therapeutischen Gemeinschaft Wilschenbruch bei Spaziergängen mit meinem Hund abgelichtet worden ist, kenne ich nun persönlich. Die Mutter auch. Die fragt mich: “Ist meine Tochter wirklich gestört?” Meine Antwort: Sie ist eine Elfjährige, wie jede Elfjährige sein sollte. Fröhlich, spontan und nicht auf den Mund gefallen.
Eine Mitarbeiterin der Therapeutischen Gemeinschaft Wilschenbruch hat das bei einem Anruf des Jugendamtes einer südniedersächsischen Stadt anders gesehen. Sätze wie Peitschenhiebe diktierte sie am 25. September 2007 dem Mitarbeiter in einen Vermerk.
Heike Lemeter ist abhängig von ihrem Freund.
Die Tochter spielt im Leben der Mutter keine Rolle.
Die Tochter ist eine zwanghafte Lügnerin.
Wer könnte da helfen? Vorschlag dieser Mitarbeiterin: eine Pflegefamilie wäre eine Möglichkeit. Dann müsse aber eine Kontaktsperre für die Mutter erlassen werden. Doch da spielt das Jugendamt nicht mit und ein Gutachter bringt eine Einrichtung in der Nähe des Wohnortes von Heike Lemeter ins Gespräch, damit das familiäre Band nicht reißt.
12. Dezember 2007: Die Mutter fährt nach Lüneburg, eine Erzieherin begleitet Heike Lemeter und ihre Tochter bei einem Einkaufsbummel und bei einem Besuch des Weihnachtsmarktes. Die Erzieherin notiert: “Frau Lemeter kaufte ihrer Tochter erst einmal eine Unmenge von Didl-Sachen, anschließend Ohrringe. Frau S. machte sie darauf aufmerksam, dass es eine Geschenke-Regel in der Einrichtung gibt, die besagt, dass im Monat Geschenke im Wert von maximal 25 Euro geschenkt werden können. Daraufhin antwortete sie, dass sie schon Klienten gesehen hätte, die noch viel wertvollere Geschenke erhalten hätten. Ein Wort ergab das andere…bis sie schließlich sagte, dass sie das mit der Höchstgrenze für Geschenke nicht gewusst hätte. Frau S. akzeptierte diese Aussage, bat sie aber sich nun mit weiteren Geschenken zurück zu halten.”
Mutter, Kind und Erzieherin verlassen Karstadt wieder, gehen auf den Weihnachtsmarkt, dann in ein Café. Dort bekommt Heike Lemeter zwei SMS von ihrem Freund. Die will sie ihrer Tochter zeigen. Darf sie nicht. Nach einem Abstecher zu McDonalds stellt diese Erzieherin schriftlich fest: “Sie kuschelten und schmusten miteinander, wobei Frau Lemeter ihrer Tochter ständig etwas zu flüsterte. Frau S. konnte nur Bruchstücke verstehen.”
Nach diesem Lüneburg-Aufenthalt besteht die Mutter darauf, dass solche Besuche fortan ohne Begleitung stattfinden. Das Gericht stimmt zu. Nun versteht Professor Dr. Ruthard Stachowske als Leiter der Therapeutischen Gemeinschaft Wilschenbruch die juristische Welt nicht mehr. Er schreibt am 21. Dezember 2007 an das Amtsgericht: “Die Umgangsregelung wird in der Weise, wie Sie sie beschlossen haben, von uns am 23. 12. 2007 durchgeführt, ohne dass wir die Verantwortung für etwaige Risiken übernehmen.”
Vier Wochen später schreibt die Tochter an ihre Mutter: “Ich vermisse dich.”
veröffentlicht am 8. September 2009
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